Pflanzengallen von Gallwespen, Gallmücken und Gallmilben in den Baumkronen
Nach BELLMANN (2012) sind Pflanzengallen "Wachstumsreaktionen einer Pflanze, die durch einen fremden Organismus hervorgerufen werden. Dieses Wachstum ist zeitlich und räumlich begrenzt und führt je nach Wirt und Verursacher zu einer in aller Regel sehr charakteristischen Bildung, der Galle.“ Derartige Wucherungen sind auf Pflanzen sehr weit verbreitet. Sie können an allen Pflanzenteilen bei den unterschiedlichsten Pflanzenarten ausgebildet werden. Auch können die Verursacher unterschiedliche Organismen sein. Besonders häufig lösen Weibchen bestimmter Insekten- und Spinnengruppen wie Gallwespen, Gallmücken und Blattläuse sowie Gallmilben Gallenstrukturen aus. Daneben erzeugen auch Pilze und Bakterien Gallenstrukturen. In besonderer Weise von Gallbildungen betroffen sind Eichen. Weitere Gallenformen sind an Pflanzen der Strauch- und Krautschicht zu finden.
Durch Anstechen des Pflanzengewebes zur Eiablage und Injizieren von Wuchsstoffen aus der Hormongruppe der Cytokinine wird im Umfeld der Einstichstelle die Zellteilung und die Zelldifferenzierung des wachsenden pflanzlichen Gewebes verändert. Es wird durch den Eingriff des Gallenerzeugers von der Pflanze ein dickwandiger Hohlraum ausgebildet, in den das Weibchen die Eier legt, und sich dann in der neu geschaffenen Galle Larven entwickeln, welche sich von dem Gallengewebe ernähren. Diese Larven setzen mit ihrem Speichel weitere Wuchshormone aus der Gruppe der Auxine und Aminosäuren frei und regen dadurch die Pflanze zur Produktion von Nährgewebe am Rand der Gallenhöhle an (UNIVERSITÄT BAYREUTH 2008).
Somit dient eine Galle den Larven der Gallerzeuger während ihrer Entwicklung gleichermaßen als Wohnstatt und als Nahrungsquelle. Nach abgeschlossener Individualentwicklung verlassen die ausgewachsenen Tiere die Galle durch ein Loch in der Gallwand. Aufgrund des einseitigen Nutzens auf Kosten der Pflanze sind die Gallenerzeuger als Parasiten anzusehen. Da aber die Gallenbildung räumlich am Pflanzenkörper begrenzt ist, und nicht alle pflanzlichen Organe gleichermaßen durch die ausgelöste Wucherung betroffen sind, hält sich meistens der Schaden für die Pflanze in Grenzen.
Lebensbedrohlicher ist die Situation für die in der Galle heranwachsenden Eier und Larven. Jede besetze Galle zieht Parasiten an, besonders sehr kleine Erzwespen, deren Weibchen mithilfe eines langen Legebohrers ihre Eier in die Galle legt und deren heranwachsende Parasitenlarven sich an den Larven der Gallenbildner bedienen. Viele Gallenparasiten sind auf Larven einzelner Galltypen spezialisiert. Oft gehören zu den Parasiten noch auf diese spezialisierte Hyperparasiten, die die Larven der Primärparasiten angreifen.
Neben den Larven der Gallenerzeuger und den Parasitenlarven leben auch noch „Einmieter“, Mitesser“ (Inquilinen) in der Gallhöhle, die sich ebenfalls von dem neugeschaffenen Gallengeweben ernähren und auch für Parasiten zur Beute werden können.
Dadurch stellt der Bereich einer eher unscheinbaren Galle ein hoch komplexes Parasit-Wirt-Gefüge dar, in das auch noch Inquilinen eingebunden sind.
Einen hervorragenden aktuellen und bebilderten Überblick über die Vielfalt und die komplexe Biologie heimischer Pflanzengallen bietet das Werk von BELLMANN (2012). Erläuterungen zur Gallbildung und zu Gallformen lassen sich auch aus der Broschüre von BEIDERBECK & KOEVOET (1979) entnehmen.