Der Ammonium- und Nitrat-Gehalt im A-Horizont des Bodens im Rumbecker Holz und einzelner Vergleichsflächen
Die Stickstoffernährung der Pflanzen erfolgt ausschließlich aus dem Boden über die Wurzel durch die Aufnahme von Ammonium, Nitrat, und/oder Aminosäuren (siehe Kapitel „Stickstoffkreislauf“). Der Anteil der drei Nährstoffe im Boden kann je nach Standortbedingungen und der davon abhängigen Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen im Rahmen der Zersetzung und Mineralisierung der Streuauflage sehr unterschiedlich sein. Um die Ernährungssituation der Pflanzen mit lebensnotwendigem Stickstoff im Untersuchungsgebiet Rumbecker Holz einschätzen zu können, wurde an 17 Probestellen der Gehalt an NH4+ und NO3- im A-Horizont quantitativ gemessen. Die Bestimmung des mineralisch gebundenen Stickstoff-Gehalts in den Proben erfolgte fotometrisch. Eine genauere Beschreibung der Messmethode ist aus VOSS 2010 zu entnehmen. Zum Vergleich wurden Messwerte des Ammonium- und Nitratgehalts von Böden in Waldgebieten der Nachbarschaft ermittelt.
Die Messergebnisse sind in der vorangegangenen Abbildung 32 auf einer Karte der Untersuchungsfläche dargestellt. Es ist jeweils der Anteil an Ammonium und an Nitrat sowie die Gesamtmenge an mineralischen Stickstoff-Ionen ablesbar.
Aus der Darstellung der Messergebnisse auf der Untersuchungsfläche lassen sich grob verschiedene Bereiche mit unterschiedlich großen Mengen an mineralisch gebundenem Stickstoff erkennen:
- Bereich 1: Abhang zum Ruhrbett mit Siepen
Die durchschnittliche Summe von Stickstoff aus Nitrat und Ammonium an 3 Mess-Stellen beträgt 1,7 mg pro 100 g Boden. Der Anteil an NO3- liegt durchschnittlich nur bei 3%, der von NH4+ bei 97%. Der mineralisch gebundene Stickstoff liegt in diesem Bereich fast ausschließlich in Form von Ammonium vor. - Bereich 2: flache Hanglage angrenzend an den Friedhof
Die durchschnittliche Summe von Stickstoff aus Nitrat und Ammonium an 10 Mess-Stellen beträgt 1,6 mg pro 100 g Boden. Der Anteil an NO3- liegt durchschnittlich bei 29%, der von NH4+ bei 71%. - Bereich 3: am Fuß einer bewachsenen Wegeböschung
An der Zufahrt zur Schule ist am Böschungsfuß der Gehalt an mineralisch gebundenem Stickstoff relativ hoch. Der Anteil von Nitrat und Ammonium beträgt hier je 50%. - Bereich 4: Aufschüttung am Weg
An der aufgeschütteten Böschungskante eines Radwegs ist der mineralisch gebundene Stickstoffgehalt insgesamt sehr gering, mit einem Nitratanteil von 20%. - Bereich 5: Quellsumpf
Im Bereich des Quellsumpfes ist der mineralisch gebundene Stickstoffgehalt ähnlich hoch wie am Böschungsfuß. Hier ist der Stickstoff allerdings fast ausschließlich in Form von Ammonium gebunden, der Nitratgehalt beträgt nur 5%.
In der Zusammenstellung der Messwerte in Abbildung 33 sind neben den Messergebnissen im Rumbecker Holz zum Vergleich zwei Werte vom Hennenberg, einem steilen, nach Süden exponierten Hang zum Ruhrbett, und vier Werte von der Untersuchungsfläche Sternhelle dargestellt. Zusätzlich sind die pH-Werte an allen Mess-Stellen zu entnehmen.
Es fällt Folgendes auf:
Die Messwerte am Hennenberg entsprechen denen im Bereich des Steilabhangs im Rumbecker Holz.
Im Untersuchungsgebiet Sternhelle wurden Nitratwerte zwischen 60 und 99% ermittelt. Der Durchschnitt beträgt 79%. Damit liegt mineralgebundener Stickstoff in der Sternhelle im Gegensatz zum Rumbecker Holz und zum Hennenberg im Wesentlichen in Form von Nitrat vor.
Deutliche Unterschiede zwischen den Teilbereichen wurden beim Bodensäuregehalt gemessen: Während im Siepenbereich des Rumbecker Holzes der Oberboden mit durchschnittlich pH 3,1 sehr sauer, im oberen Hangbereich mit durchschnittlich pH 3,3 weniger sauer ist, ist der Boden im Quellsumpf nur mäßig sauer und an den Wegrändern schwach sauer. Schwach sauer mit durchschnittlich pH 6,0 ist auch der Oberboden in der Sternhelle.
Die unterschiedlichen Nitrat-Ammonium-Verhältnisse auf den Böden mit verschiedenem Bodensäuregehalt kann mit der Abhängigkeit der Ammonifikation und Nitrifikation im Rahmen der Mineralisierung organischer Substanzen von Bodenfaktoren erklärt werden (siehe Kapitel „Stickstoffkreislauf“). Während die Ammoniumbildner, besonders Pilze, bei einem weiten pH-Bereich von 3 bis 8 tätig sind, stellen die nitrifizierenden Bakterien die Bildung von Nitrit und Nitrat aus Ammonium bei einem Absinken des pH-Wertes zunehmend ein. Dies erklärt die sehr unterschiedlichen Nitrat-Ammonium-Verhältnisse zwischen Rumbecker Holz und Sternhelle.
Eine besondere Situation zeigt sich auf dem Gley- bzw. Pseudogleyboden im Bereich des Quellsumpfes (siehe Kapitel „Bodenprofil“): Der Bodensäuregehalt ist hier zwar relativ niedrig, dafür ist die Verdrängung der Bodenluft einschließlich des Sauerstoffs durch das Bodenwasser groß. Das hat zur Folge, dass die aerobe Nitrifikation eingeschränkt wird oder zeitweise vollständig zum Erliegen kommt. Unter den dann anaeroben Verhältnissen wechseln die nitrifizierenden Bakterien für ihre Energiegewinnung von der Sauerstoffatmung zur Denitrifikation unter Abbau von Nitrat zu N2. Daneben können unter Sauerstoffmangel denitrifizierende Bakterien mittels der Nitrat-Ammonifikation Nitrat zu Ammonium verarbeiten (siehe Kapitel „Stickstoff-Kreislauf"). Beide Prozesse führen zu einer massiven Reduktion des Nitratgehalts im Vergleich zum Ammoniumgehalt.
Für die Stickstoff-Ernährung der Pflanzen ist das Nitrat-Ammonium-Verhältnis in Kombination mit dem pH-Wert von großer Bedeutung. Dies zeigt sich an den Pflanzenarten-Vorkommen und -Vergesellschaftungen auf den verschiedenen Standorten mit Messpunkten:
- Bereich 1: Abhang zum Ruhrbett mit Siepen mit sehr saurem Boden und sehr geringem Nitratanteil, siehe Verbreitung der „Drahtschmielengruppe“ und der „Hainsimsengruppe“.
- Bereich 2: flache Hanglage angrenzend an den Friedhof mit mäßig saurem Boden und einem Drittel Nitratanteil, siehe Verbreitung der „Waldflattergrasgruppe“.
- Bereich 3: Fuß einer bewachsenen Wegeböschung mit schwach saurem Boden und hohem Nitratanteil, siehe Verbreitung der „Nelkenwurzgruppe“ und „Brennnesselgruppe“.
- Bereich 4: Aufschüttung am Weg mit schwach saurem Boden und sehr geringem Nitrat- und Ammoniumanteil: siehe Verbreitung der Orchideenart „Breitblättige Stendelwurz“.
- Bereich 5: Quellsumpf mit mäßig saurem Boden und sehr geringem Nitratanteil, siehe Verbreitung der „Rasenschmielengruppe“.
- Bereich Sternhelle mit schwach saurem Boden und sehr hohem Nitratanteil, siehe „Artenliste Sternhelle“.
Bei Versuchen in Reinkulturen unabhängig von dem im Wald unter Konkurrenzbedingungen eingenommenen Wuchsstandorten wachsen die meisten Pflanzenarten am besten unter einer Nitrat-Ammonium-Mischernährung (ELLENBERG u. LEUSCHNER 2010). Es gibt nur wenige echte „Ammoniumpflanzen“, die Nitrat nicht oder nur schwer verarbeiten können. Die im Rumbecker Holz im sauren und ammoniumreichen Siepenbereich weit verbreitete Schmalblättrige Hainsimse wächst in Reinkultur gleichermaßen gut mit einer Nitraternährung, einer Ammonium-Ernährung und einer Mischenernährung auf saurem und basischem Boden, ist aber im Freiland als Charakterart der Pflanzengesellschaft „sauren Hainsimsen-Buchenwalds“ häufig zu finden. Auch im Rumbecker Holz wächst diese Hainsimse fast ausschließlich im sauren, ammoniumreichen Buchenwald des Hangabfalls zur Ruhr mit Siepen. (siehe Verbreitungskarte „Schmalblättrige Hainsimse“). Dieses Beispiel zeigt deutlich den Unterschied zwischen physiologischem Toleranzbereich einer Art, der unter Laborbedingungen zu messen ist und dem realen ökologischen Existenzbereich dieser Art im Freiland unter Konkurrenzbedingungen.